TRANSTRONICA Festival 2023

DAY 1

THE JEWEL BOX

12 Okt. 2023

Der erste Abend erinnert an die „Jewel Box Revue“, eine Kabarett-Theatergruppe, die von 1939 bis in die 60er Jahre durch die USA tourte. Es handelte sich um ein Ensemble von Travestie-Künstler*innen wie der bekannten Drag Queen Lynne Carter und der*s legendären LGBTQ+Aktivist*in und als Drag King performenden Stormé DeLarverie.

Das Ensemble deckte das gesamte LGBTQ-Spektrum ab. Innerhalb der Revue fanden nicht heteronormative Künstler*innen ihren Platz, sowie die Möglichkeit, einer geordneten, bezahlten Arbeit nachzugehen und das als Teil einer liebenden, akzeptierenden Familie.

Auch wenn die Tanzeinlagen, die Konzerte, die gesamte Show brillant orchestriert und durchgeführt waren, bediente „The Jewel Box“ die Klischees und die Ängste der cis- und heteronormativen Gesellschaft, ob aus Angst vor dem Verbot oder eigenen finanziellen Interessen.

Mit den 40ern und den Möglichkeiten der Hormontherapie hatten die trans Frauen des Ensembles ihr Coming Out. Eine der größten Legenden Hamburgs, Angie Stardust, entstieg der Jewel Box und schrieb Geschichte als erste schwarze trans* Frau mit eigenem Nachtclub in Deutschland.

„The Jewel Box“ ist daher ein Aufruf nicht zu vergessen, dass schwule, lesbische, trans* und queere Geschichte nicht voneinander zu trennen ist. Durch die gemeinsame Unterdrückung durch das cis- und heteronormative Patriarchat sind unsere ersten historischen Held*innen ein buntes Ensemble leuchtender Juwelen.

Konzert

Angel-Ho

Das Festival eröffnen wird dieses Jahr Angel-Ho, Musiker*in und Kreativdirektor*in aus Südafrika. Ihr Musikstil, ein Hybrid aus Hip Hop, Bass Music gemischt mit experimentellen, elektronischen Beats, lässt die Hörer*innen eintauchen in die Fantasie der Realität eines weiblichen, gender non conforming, queeren, afrikanischen Körpers.

Als eine der wichtigsten Stimmen der trans* Community Kapstadts kreiert Angel-Ho in ihren Performances eine Zwischenwelt, die einerseits durch die Dekonstruktion cisheteronormativer Machtgefälle die Unendlichkeit der Identität freisetzt und andererseits mithilfe der Sprache und des Erbes der LGBTQ+ Community zum eigenen schuld- und schamlosen Selbst findet.

Neben diversen Auftritten auf Festivals weltweit, DJ Sets für Boiler Room und sogar im Vorporgramm von M.I.A. beweist Angel, wie sie ihr Publikum in ihren Bann zieht.

Mit ihrem neuen Album „Angel-Ho 2.0“ kehrt sie zurück zu ihren Wurzeln als MC und Rapper*in und liefert ein Klangerlebnis zwischen Hyperpop, House, Hip-Hop, Indie und Electronica. 

©Haneem Christian

Musikvideo mit Angel-Ho, Chaos

©Angel Ho

©Angel Ho

©Akhona Zane

DJ-Set

DJ Bone Black

DJ Bone Black ist DJ und Produzent somalisch-äthiopischer Abstammung aus Lausanne. Er ist Mitgründer des QULT Kollektivs, welches queere Events mit besonderem Fokus auf ein inklusives FLINTA*-Lineup setzt.

Gerade Techno mit seinen schwarzen Wurzeln erfuhr in den 90er Jahren ein White- und Straightwashing, welches bis heute noch anhält. Ganz im Gegensatz zum weißen Berliner Monotontechno vertritt Bone Black eine neue Technobewegung, welche ihre Wurzeln im globalen Süden findet. 

Seine Sets bestechen durch eine einzigartige Klanglandschaft, ein Hybrid aus düster jedoch sanft klingendem Gqom mit stotternden Afrohouse-Vogue Beats und perkussiven diasporischen Tracks.

©Nicolas de Grandi

DAY 2

ALKAZAR

13 Okt. 2023

„Jede Viertelstunde eine Sensation und in den Pausen keine Pausen” so lautete das Motto des historischen Variété Theaters „ALKAZAR“ auf der Hamburger Reeperbahn. Arthur Wittkowski leitete das Etablissement ausgestattet mit einer Hebebühne, auf der Wasserszenen, Eiskunstlauf und besonders viel nackte Haut gezeigt wurden.

Von 1924-1929 galt es als eines der bedeutendsten Variététheater Europas und beherbergte im Rahmen der sexuellen Offenheit der Zwanziger Jahre neben Anita Berbers „Tänze der Extase“ auch Josephine Baker und Barbette Vander Clyde, Travestie-Künstler*in und Freund*in des französischen Surrealisten Jean Cocteau.

Die Begierde stets etwas Neues, Ungesehenes, Kurioses darzubieten, garantierte auch trans* Weiblichkeiten einen gewissen Schutz und finanzielle Absicherung. Sie wurden für kleinere Auftritte bezahlt und hatten durch neugierige Kunden stets genug Anfragen auf Sexarbeit.

Dies alles endete mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Bereits Ende der 20er Jahre versuchten sie Arthur Wittkowski durch mehrere Anzeigen wegen Sittenwidrigkeiten wie Zuhälterei und Kontakt zu "Homosexuellen" ihm langsam die Kontrolle über das Alkazar zu entziehen.

Unter der nationalsozialistischen Diktatur begann die systematische Verfolgung und Auslöschung queerer Menschen. So findet sich die Forderung in der Besprechung der Verwaltungsspitzen der Freien Stadt Hamburg vom 13.09.1933 „Die Polizeibehörde wird aufgefordert, die Transvestiten besonders zu beachten und erforderlichenfalls in das
Konzentrationslager zu überführen.“

Der zweite Abend des Festivals ist gleichzeitig ein Nachruf auf alle ermordeten, in den Suizid getriebenen trans* Geschwister, ein Aufruf des praktischen Antifaschismus und gleichzeitig das Feiern der Überlebenden im Hier und Jetzt. Der Abend „Alkazar“ symbolisiert die Vielfalt und den täglichen Überlebenskampf unserer Community, sowie die unbändige Lust am Leben in all seinen nicht binären Facetten.

Konzert 1

Elles The Doll

Das langsame Aufblühen des Athener Undergrounds trägt verschiedene Blüten. Die wohl interessanteste von ihnen ist Elles The Doll, Visual Artist, Musiker*in und Vertreter*in des deconstructed club, der Absage an den 4/4 Takt des cisnormativen, weißen gay Mainstreams. Ihre visuelle Kunst erinnert an den trans*Körper als leere Leinwand, bestehend aus Formen und Schemen. Auf dieser werden dann identitätsstiftende Ornamente drapiert und bilden so ein facettenreiches Ganzes.

Elles The Doll repräsentiert eine neue Bewegung innerhalb der griechischen queeren Szene, welche die cis weiß männliche Machtstruktur der Clubs in Frage stellt und für einen inklusiven, trans*visiblen Space einsteht.

©Elles The Doll

Auf dem TRANSTRONICA Festival dürfen wir uns auf ihr Debutalbum „Exuviae“ freuen, welches sie exklusiv live vorstellen wird.

Konzert 2

Tami T

Als elektronische Popkünstlerin mit unverwechselbarem Sound veröffentlichte Tami T ihr Debütalbum „High Pitched and Moist“ vor drei Jahren. Ihr, wie sie sie selbst beschreibt, „tanzfreundliche elektronische Popmusik“ ist ein stark von EDM beeinflusster Hyperpop mit sexuell expliziten Texten.

Tami T produziert Sounds durch DIY Instrumente, wie aus einem Strapon, sowie einer abgewandelten Plastikgitarre aus Guitar Hero. Ihrer einzigartigen Produktion verdankt sie ein großes mediales Interesse. So wurde ihre Musik im Film „Something Must Break“ und in der norwegischen Fernsehserie SKAM gezeigt. Sie hat mit Fever Ray, Gnučči und Putochinomaricón zusammengearbeitet und Musik für mehrere Theater- und Tanzaufführungen komponiert.

Mit DIY-Instrumenten, funkelnden Synth-Melodien und Club-Beats hüllt sie die Tanzfläche und unsere Köpfe in rosa Glitzer.

©Tami T

Live Set

Podeserdesligado

Dass weltweit gerade BiPOC trans*Menschen generell einen erschwerten Zugang zu Ressourcen für die Musikproduktion haben, gilt in Brasilien insgesamt für schwarze Menschen. Podeserdesligado repräsentiert eine eigene Musikszene, fernab vom Diktat des globalen Nordens, welche afro-diasporische Rhythmen, geprägt von brasilianischem Funk, Break und Techno, zum neuen Ganzen erhebt. 

Ihr Live-Set war bereits Teil des Line-Ups relevanter Partys aus der Underground-Szene der brasilianischen elektronischen Musik wie Mamba Negra, 1Ø1Ø, ODD, MasterPlano, Pankada (AM). Sie trat beim Yaga Festival zusammen mit Künstlern wie ARCA und Sophie auf, produzierte das Album „Traquejos Pentecostais para Matar o Senhor“ mit Ventura Profana, sowie den Remix „Bixa Travesty – Poder & Glória“ aus dem Album „Pajubá remix I“ von Linn da Quebrada.

Für das TRANSTRONICA Festival bereitet Podeserdesligado ein einzigartiges Liveset selbst produzierter Sounds und eröffnet den Tanz des zweiten Abends.

©Cae Sena

DJ-Set

Khloe

Als Resident DJ des Rawmantique Kollektivs besticht Khloe mit einem herausragenden Technosound, der auf ein reiches Repertoire an Rhythmen und Musikstilen fußt.

Als Venezolanerin und trans Frau hat sie nicht nur ein immenses musikalisches Vokabular aus den Orten und Ländern, in denen sie lebte, mitnahm, sondern auch ein unglaubliches soziales Engagement für die queere und insbesondere die trans* Community. 

Khloe wird mit einem impulsiven DJ Set den zweiten Abend „Alkazar“ vollenden.

©Marina Balboa

©Sophie Lazari

DAY 3 

MADAME ARTHUR

14 Okt. 2023

Der dritte und letzte Abend des Festivals trägt den Namen des ersten Pariser Travestie-Cabarets „Madame Arthur“, welches 1946 seine Eröffnung feierte. Im Paris der Nachkriegsjahre wurde das Viertel Pigalle die zentrale Möglichkeit für trans*Weiblichkeiten durch Sexarbeit genug Geld für Hormone und Operationen zu verdienen. Bereits durch seine Vorgeschichte als Prostitutionsviertel hatte sich eine feste Klientel gebildet, welche trans* Frauen aus ganz Europa zum Umzug nach Paris bewegte.

Die Straße war und ist ein gefährlicher Ort. Für trans* Weiblichkeiten ist es oftmals die einzige Möglichkeit des Überlebens. Das Cabaret bot viel mehr Sicherheit und war ein Ort, an dem nicht allein der voyeuristische Blick auf den trans* Körper befriedigt wurde, sondern auch künstlerisches Talent immer mehr in den Mittelpunkt stand.

Paris war bis in die 1960er Jahre „the place to be“ für trans* Weiblichkeiten, nicht zuletzt auch wegen einer der wichtigsten Ikonen unserer Community, Coccinelle. Sie war ebenfalls Performerin im „Madame Arthur“ und half aktiv anderen trans* Frauen dabei, ihren Lebensunterhalt sicher in Paris zu erwirtschaften, sowie ihre Transition zu ermöglichen.

Die Performer*innen, die in Paris Zuflucht suchten, nahmen das Cabaret mit in andere Länder. Romy Haag, zum Beispiel, die ebenfalls in Paris debütierte, nahm das Konzept mit nach Berlin und erweiterte es in ihrem „Chez Romy“. Von dort trug beispielsweise Marilou Fragiadaki die Idee weiter nach Athen zu den „Koukles“. Paris ist damit Ursprung eines künstlerischen Konzeptes, welches maßgeblich von trans* Weiblichkeiten erschaffen und performt wurde.

Mit seinem letzten Abend „Madame Arthur“ greift TRANSTRONICA die Tradition der Erschaffung eines Ortes zur Sichtbarkeit für trans* Künstler*innen auf und reiht sich so in die historischen Orte ein, durch die wir drei Abende lang geführt wurden.

Coccinelle, Star aus dem Carrousel de Paris und dem Madame Arthur

Bambi, Freundin von Coccinelle und ebenfalls Star aus dem Carrousel de Paris und Madame Arthur

Konzert 1

GÆRALD KURDIAN

Als Produzent*in, Performer*in und vielseitige DJ ist GÆRALD die Mother of Ceremonies des Hot Bodies of the Future Labels in Brüssel. 

Der Sound schwebt zwischen dunklem Techno und Pop-Einflüssen, vermischt mit elektronischem Post Punk. Das Grundthema ihrer* Musik sind affektive, sexuelle und sinnliche Erfahrungen in den nächtlichen Landschaften alternativer Szenen.

Im Vordergrund ihrer* Arbeit steht die Erschaffung queerer Utopien innerhalb einer inklusiven Gemeinschaft, die sich vor dem aufsteigenden Konservatismus verteidigen muss.

GÆRALD ist ein hybrides Clubprojekt, in dessen Mittelpunkt queere Selbstakzeptanz und die Emanzipation vor gesellschaftlichen Eingrenzungen stehen.

©Gérald Kurdian

Konzert 2

Rouge Mary

Mit „Madame Arthur“ vollenden wir den Sprung ins Pariser Cabaret und wer wenn nicht Rouge Mary, die wohl aktuell wichtigste trans* Stimme innerhalb der französischen Musikszene, könnte diesen Abend musikalisch repräsentieren?

Bereits mit sehr jungen Jahren zeigte sich ihr Gesangstalent. Als sie mit 18 nach Paris kam, war sie bestens auf den Beruf als Sängerin vorbereitet. Nach zahlreichen Shows im französischen Fernsehen, sowie Konzerten als Backgroundsängerin für Axelle Red, Michel Fugain oder Bazbaz schloss sich Rouge Mary einer Gospel-Truppe an, in der sie ihre einmalige Stimme ausarbeitete.

©Rouge Mary

Anschließend arbeitete Rouge Mary in einer Gospel-Truppe, wodurch sie immer mehr Bühnen in großen Veranstaltungsorten wie Bercy und dem Palais des Sports einnehmen konnte.

Rouge Mary tritt seit mehr als fünf Jahren mit Hercules & Love Affair bei mehreren Konzerten und Festivals in fast fünfzig verschiedenen Ländern auf. Sie schrieb nicht weniger als sieben Lieder für die Gruppe. Vier auf dem dritten Album „The feast of the Broken Heart“, dann drei auf dem letzten „Omnion“, einschließlich der Single „Rejoice“.

Rouge Mary verlieh ihre Stimme auf vielen Tracks Musiker elektronischer Musik wie The Subs, Château Marmont, Catz & Dogz oder Mason mit ihrer Single „Gotta have you back“ von der LP „Zoa“. Kürzlich schrieb sie die farbenfrohe Single „Be Honest“ für ihre* Freund*in und enge Mitarbeiter*in Kiddy Smile.

Das dritte TRANSTRONICA Festival verspricht mit Rouge Mary ein glänzendes Finale.

©Rouge Mary

Rouge Mary - Live in Paris | 2021 

©Rouge Mary

Rouge Mary - Boogie Down

©Rouge Mary

Rouge Mary - Live in Paris | 2021

DJ-Set mit Live Vocals

Saeleen Bouvar mit Hausvrau

Auch dieses Jahr wird unsere Kuratorin und Gründerin des TRANSTRONICA Festivals den letzten Tanz einläuten. Als Connaisseuse verschiedener queerer elektronischer Musikstile scheut sie es nicht, diese in perfekter Harmonie und Extase zu mixen. Saeleen fügt Rhythmen, Snippets und Melodien auf so eine Art zusammen, dass ihr gesamtes Set einem einzigen Track gleicht, der die Tänzer*innen wie eine spannende Geschichte am Beben hält.

Verstärkt wird sie dieses Jahr am Mikrofon von Hausvrau, die High Energy Versuchung, die bereits den Salon Queertronique zum Kochen gebracht hat.Als multidisziplinäre Künstler*in ist Hausvrau in mehreren BiPOC queeren Szenen zu Hause. 
Als aktiver Teil der Ballroom Community ist sie Mitglied des Trans Emergency Funds, einem Verein zur finanziellen Hilfe von trans*Personen in Not und drückt ihre Kunst in Musik, Gesang und Tanz aus. 

Die Kombination aus Saeleen Bouvars extatischen Beats gemeinsam mit den Vocals von Hausvrau versprechen ein spektakuläres Set zum letzten Abend.

©Yousef Iskandar

[sic]nal / Saeleen Bouvar

©Stellan Vincent

DJ-Set

Mine Pleasure Bouvar

Nach dem Set der Mutter wird auch in diesem Jahr die Tochter hinter die Plattenteller steigen. Als Resident des Salon Queetronique hat sie* sich aufgrund ihrer* phänomenalen Closing Sets bekannt gemacht.
Neben letzter TRANSTRONICA bespielte sie* bereits die Queerpool, das Berliner SchwuZ, die PRIZM im Klunkerkranich, sowie verschiedene CSDs.

Mine hinter den Decks bedeutet ein 100% Vinyl Set bestehend aus allem, was „Electrotransmusic“ beinhaltet: Disco, House, Electroclash und Techno. Neben der Plattenjonglage produziert und schreibt sie* selbst Musik und ist als Bildungsreferent*in und Workshopleiter*in mit den Schwerpunkten trans*Feindlichkeit und trans*Misogynie tätig, um das Cis-tem zu unterwandern.

©Lebefrauu

©Stellan Vincent

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